Trifft die beste Verteidigung der Liga (Frankfurt, 102 Gegentore) auf die mit Abstand schwächste Offensive (Selb, 79 Tore), sollte die Partie eine eindeutige Sache sein. Mag man meinen - wenn man das Papier studiert. Aber Spiele gewinnt man bekanntlich auf dem Eis. Dort benötigten die Löwen trotz sechzigminütiger Dauerdominanz, einen gewissen Anlauf, ehe sie durch je zwei Treffer von Carson McMillan und Brett Breitkreuz sowie einem Tor Yannick Wenzels gegen die Selber Wölfe mit 5:2 (1:0, 1:3, 0:2) gewannen. Bastian Kucis erlebte vor 480 Zuschauern in Selb einen ruhigen Abend mit nur 15 Saves.
Michel aus Oberfranken
31:55 Minuten dauerte es, bis die Löwen im Spiel gegen Selb erstmals in Führung gingen. Wobei es eigentlich „gegen Michel Weidekamp“ heißen müsste. Der Goalie der Oberfranken war während der kompletten 60 Minuten der wohl mit Abstand am meisten beschäftigte Wolf im Spielpelz. Gleichmäßig verteilte 41 Schüsse brachten die Löwen binnen drei Dritteln auf Weidekamp, davon etliche wirklich gute Gelegenheiten, doch Selbs Torhüter hielt sein Team bis ins Schlussdrittel praktisch allein im Spiel. Zumindest auf der Anzeigentafel.
Dort führten die Löwen zu Beginn des letzten Abschnitts lediglich mit 3:2 durch den Führungstreffer von Carson McMillan. Von Nebenmann Sykora per Ableger bedient, durfte McMillan freundlich durch den freizügig präsentierten Selber Slot ziehen und Weidekamp den Puck zur Führung durch das Five Hole schieben (32.). Doch so einfach wie in dieser Szene war es lange nicht.
Rudelkönige? Oberfranken sind Selber Wölfe
In der 9. Minute eröffnete Wölfe-Topscorer Nick Miglio das Scoring mit dem 1:0. Ein Schuss, der eigentlich am Tor vorbeigegangen wäre, prallte vom Schlittschuh Marius Erks zurück in den Slot, wo sich eher zufällig auch Miglio befand und die glückliche Gelegenheit eiskalt zur unerwarteten Führung verwandelte.
Erk rückte heute wieder an die Seite von Kyle Sonnenburg, da Löwen-Kapitän Max Faber fehlte. Selbs Head-Coach Herbert Hohenberger suchte immer wieder das Matchup seine schnellen ersten Reihe um Nick Miglio, Daniel Schwamberger und Brett Thompson gegen Sonnenburg und Erk, doch abgesehen von diesem „lucky-bounce“ erlaubten die Verteidiger der Löwen der Formation nichts retrospektiv Nennenswertes.
Überhaupt wurde Selbs Angriff seiner Betitelung nur selektiv gerecht. Was die Wölfe aber nicht davon abhielt noch ein zweites Mal zuzuschlagen: In der 23. Minute versenkte Lukas Vantuch einen optionslosen Schlagschuss aus dem high-Slot, während seine Kollegen wechselten. Die Löwen-Abwehr gab sich in dieser Szene einmal zu sorglos und auch Goalie Bastian Kucis ließ den Schuss ungewohnt über die Fanghand passieren.
Nervenlos durch die Nacht
Mit dem Treffer war die „offensive Herrlichkeit“ der Hausherren dann aber auch beendet. Und das, obwohl Vantuchs zwischenzeitliches 2:1 eigentlich zu einem - für Selb - perfekten Zeitpunkt kam: Nur 32 Sekunden zuvor hatten die Löwen durch einen Tip-In von Carson McMillan nach einem Schuss von Kyle Sonnenburg ausgeglichen. Die erneute Führung hätte als Momentum-Lähmung taugen können, allerdings wohl nur unter ebenbürtigeren Kräfteverhältnissen.
So kratzten sich die Löwen kurz, provozierten mit ihrem druckvollen Offensivspiel eine Strafe und nutzten das daraus resultierende Powerplay zum erneuten Ausgleich, keine drei Minuten später. Yannick Wenzel düpierte, mit einem perfekten Diagonalpass durch den Slot auf Adam Mitchell, die zuvor schon außer Position gespielte Wölfe-Abwehr. So standen Mitchell und sein Nebenmann Brett Breitkreuz plötzlich allein vor dem Tor, Mitchells Querablage drückte Breitkreuz ohne viel Mühe über die Linie.
Slot-Machines
Aus nahezu identischer Position in seinem Büro an der Türschwelle zum Torraum erzielte Breitkreuz auch das 4:2 für die Löwen. Von Alexej Dmitriev bedient, musste er diesmal zwar etwas mehr Kraft aufwenden, aber irgendwie presste er den Puck „durch“ Michel Weidekamp hindurch ins Tor. Da Nathan Burns (wie darüber hinaus auch Manuel Strodel) heute ebenfalls fehlte, rückte Alexej Dmitriev an dessen Position und bildete mit Breitkreuz und Ryon Moser eine durchaus gefällig, weil immer wieder gefährliche Formation.
Die „Show“ stahl ihnen lediglich das heute überragende Trio aus Carson McMillan, Yannick Wenzel und Tomas Sykora, die zusammen 7 Punkte und 3 Tore erzielten. Neben McMillans beiden Toren inkl. dem Game-Winner setzen sie auch den Schlusspunkt durch Wenzels 5:2. Ein langer Pass von Kevin Maginot schickte Wenzel auf die Reise, der vor dem Tor Goalie Weidekamp mit einem flinken Move auf die Rückhand narrte und den Puck anschließend zum Endstand unter den Giebel hob (54.).