Derart „anders“ war es im Fuchsbau schon lange nicht mehr: Statt des Headcoaches und seines Co-Trainers standen Sakari Lindfors als Verantwortlicher und Clarke Breitkreuz sowie Jens Baxmann als seine Assistenten an der Bande. Die beiden Letztgenannten und Richie Mueller, Steve Hanusch, Jakub Kania, Toni Ritter, Korbinian Geibel und Stéphane Döring fehlten ebenso wie ein Ersatztorwart. Dafür war kurzfristig Marius Stöber lizenziert worden, der zuletzt am 18.03.2018 in der Relegation gegen Bayreuth für die Unsrigen in Liga zwei dabei war. Die Erklärung für dieses „Anders“ ist jene, die momentan alles erklärt – in der Gesellschaft wie in der DEL2. Auch anders als sonst hielten die Blau-Gelben ihr Spiel heute einfach, kämpften um jeden Zentimeter Eis und münzten ihre Vorteile auch in Zählbares um. Klar, ein 7:1 war das Match sicher nicht. Doch die Allgäuer, die auch Personalprobleme hatten und mit einem eher unerfahrenen Youngster im Tor starteten, ließen unserer Mannschaft viel Platz und blieben im Abschluss lange harmlos. Dagegen lief Roope Mäkitalo (nicht erst) im Schlussabschnitt zu Höchstform auf und schnürte einen Viererpack. Was für ein schöner Eishockeyabend vor 1.176 Zuschauern!
Weißwasser begann mit fünf Verteidigern und drei Angriffsformationen, wobei sich Luis Rentsch und Marius Stöber im dritten Sturm abwechselten. Beim ESVK war zwar Top-Scorer John Lammers zurück. Dafür fehlte unter anderem Sami Blomqvist. Ins Gehäuse rückte Dieter Geidl, der die Erfahrung von reichlich 38 Spielminuten in der DEL2 mitbrachte. Bei dieser Konstellation verwunderte es nicht, dass beide Teams ihr Heil in der Offensive suchten. Es ging flott hin und her. Die Schussgenauigkeit war aber nicht sehr hoch. Nach vier Minuten fälschte Eric Valentin einen Blueliner von Brett Carson ab, verfehlte den Kasten aber sehr knapp. Etwas später war es Roope Mäkitalo, der den Schläger in einen Schuss von Paul Reiner hielt. Der Puck zischte an die Schulter von Geidl, der durchschnaufen konnte (8.). Die erste Strafe des Spiels gab es für Tyler Spurgeon. Ob der allerdings tatsächlich Bennet Roßmy gelegt hatte oder unser Youngster nicht doch über den Schläger eines Mitspielers gestolpert war – sehr fraglich. Das Powerplay sah sich gut an. Die Abschlüsse kamen. Tore fielen aber (noch) nicht. Gerade komplett zog Moritz Raab von der Blauen ab. Comebacker Marius Stöber stand goldrichtig und lenkte ein. So eine Story kannst du nicht erfinden… Der Rückstand stachelte die Buron Joker an. Mikko Lehtonen ging ab, zog vor unser Heiligtum und scheiterte am stabilen Leon Hungerecker. Weil ihn Eric Valentin noch behindert hatte, gab es eine Herausstellung gegen unsere Nummer 12 (14.). In dieser Unterzahl avancierte unser Goalie zum Turm in der Schlacht. Seine Paraden gegen Fabian Voit und Tyler Spurgeon waren herausragend (16.). Fortan war Kaufbeuren die agilere Mannschaft, ohne groß Gefahr entfachen zu können.
Mit viel Tempo und Positionswechseln starteten die Gäste in die zweite Periode. Unsere Jungs hielten gut dagegen und erkämpften Gleichwertigkeit. Tormöglichkeiten blieben rar, bis Daniel Visner mit der Rückhand abfälschte und das linke Kreuzeck nur um Zentimeter verfehlte (24.). Nach Spielverzögerung und wegen Beinstellens mussten kurz nacheinander erst Simon Schütz und dann Fabian Koziol pausieren. In den Überzahlen war der Druck stets da. Allerdings verteidigten es die Joker auch sehr geschickt, indem sie praktisch keinen Pass durch den Slot zuließen. Im zweiten Powerplay erspähte dann Hunter Garlent die Lücke und hämmerte halbschräg aus sechs Metern durch Freund und Feind hindurch ein. Das 2:0 befreite ersichtlich. Plötzlich tauchte Valentin frei vor Geidl auf, brachte das Spielgerät aber nicht am 18-Jährigen vorbei. Gegenüber probierte es Voit zentral frei aus vier Metern. Die Hungerecker-Fanghand schnappte zu (beides 32.). Dann trudelte der Puck eher zufällig zu Roßmy, der aus bester Position vorbeizielte (34.). Das hätte an sich das 3:0 sein müssen. Es fiel etwas später doch noch nach toller Kombination der Paradereihe. Peter Quenneville steckte durch zu Roope Mäkitalo, der Geidl ausspielen wollte, die Scheibe aber nicht ins Gehäuse drücken konnte. Das tat im Nachsetzen der Hunter! Mit viel Beifall wurden die Heimischen in die zweite Pause geschickt.
In den letzten 20 Minuten ging bei Blau-Gelb dann plötzlich alles. Und Roope Mäkitalo wurde der Vollstrecker. Garlent drehte sich hinter dem Tor und legte mit der Rückhand in den Slot, wo unser kleiner Finne bestens positioniert war und auf 4:0 stellte. Die Gäste ließen nichts unversucht und nahmen weiter jeden Schuss, der möglich war. Doch Leon Hungerecker war nicht nur gut, sondern sehr gut. So musste auch John Lammers die Übermacht unseres Schlussmannes anerkennen, als der sich ihm entgegenhechtete (44.). Und Kaufbeuren wurde hinten immer undichter. Voit gab die Scheibe ohne Not zu unserem Roope, der das 5:0 besorgte. Zur Mitte des Schlussdrittels musste Ilja Fleischmann zwei Minuten wegen Haltens absitzen. Die Joker schossen viel. Unsere Blocks und das Penaltykilling insgesamt waren aber stark. Dann wurde Mäkitalo beim Sololauf unsanft von den Beinen geholt. Der 23-Jährige legte sich das Hartgummiteil zum Penalty zurecht und verwandelte sicher. Kurz danach gab es das nächste Solo der 91, der Geidl diesmal tunnelte – 7:0… Der eine oder andere Zuschauer guckte seinen Nachbarn schon etwas ungläubig an. Derweil die Schlachtenbummler freudentrunkend „Nur noch drei!“, skandierten, arbeitete Leon Hungerecker am fünften Shutout. Seine Rettungstaten gegen Markus Lillich und Joey Lewis waren grandios (56.). Doch auf einmal hatte Johannes Krauß viel Platz und Freiheit und knallte direkt ins Tor. Mist – 1:7. Ein „zu null“ für unseren Hüter wäre das Sahnehäubchen auf der Torte gewesen. Aber auch so schmeckte der Dreier ausgesprochen gut.
Damit lebt die Hoffnung auf ein Saison-Happy-end in Form des vorzeitigen Klassenerhalts weiter. Der ESVK ist weiter Zehnter, hat sieben Zähler mehr als die Unsrigen aber auch schon zwei Partien mehr absolviert. Entscheidend aber wird ja nun der Blick auf den Quotienten. Ehe wir uns an Rechenexempeln beteiligen, fordern wir lieber: „Jungs, bleibt dran!“ Mit dem einfachen Spiel von heute – selten haben wir es von hinten so souverän herausgespielt – und der Leidenschaft ist auch mit dezimierter Truppe eine Menge möglich. Die Fans haben den Auftrag für Sonntag bereits erteilt: „Auswärtssieg!“
Schlüsselszene
Das Überzahltor zum 2:0 durch Hunter Garlent ebnete heute den Weg zum Sieg, weil es den Kopf befreite und die Beine lockerte.
Innerfamiliär
Das dürfte es auch noch nicht so oft gegeben haben: Ein Geschwisterpaar steht auf dem Eis mit der Aufgabenteilung Stürmer/ Linienrichter. Nach dem 1:0 wurde es rührend: „Zebra“ Lukas Pfriem schnappte sich den Puck und brachte ihn zu Bruder Marius Stöber.
Passend
Torhüter Leon Hungerecker holte sich sehr oft die Scheibe vor oder hinter seinem Tor und spielte starke Pässe. Das Highlight aber war ein Zweikampf Hungerecker/ Voit hinter der Kiste, den unser Keeper gewann und auch noch den prima Aufbaupass an den eigenen Mann brachte (38.).
Wechselgesang
Wann konnte es den zuletzt geben? Noch vor dem 2:0 schallte das „DYNAMO“ aus diversen Blöcken quer durch den Bau.
Nachgefragt
Nach dem 7:0 wurde gar einer der Uralt-Klassiker, der „Alte Holzmichl“, ausgegraben. Da dröhnte es aus den Boxen: „Lebt denn der ESW noch???“ Und tatsächlich: „Jaaaaaaa, er lebt noch…“
Hilfsweise
„Petteri hat uns angerufen und gefragt, ob wir Sakari nicht helfen können. Da haben wir nicht lange überlegt. Es war eine tolle Erfahrung“, berichtete der verletzte Kapitän Clarke Breitkreuz darüber, wie er und Jens Baxmann heuer zu Co-Trainern wurden. Hilfs-Mannschaftsleiter statt Stefan Wohlschlager war diesmal Ronny Krüger.
Der Top-Spieler: Roope Mäkitalo
An „Mister Viererpack“ führt kein Weg vorbei. Wahrscheinlich hat Roope nun doch seinen optimalen Platz im Kanada-Sturm gefunden. Einerseits ackert er für seine nordamerikanischen Mitstreiter mit Vehemenz um jede Scheibe. Andererseits weiß er den Freiraum zu nutzen, der sich bietet, wenn der Gegner unsere beiden Top-Scorer in einer Art Manndeckung auszuschalten versucht.
Tore:
1:0 (13.) Marius Stöber (Bennet Roßmy , Moritz Raab)
2:0 (29.) Hunter Garlent (Peter Quenneville , Bennet Roßmy) PP1
3:0 (36.) Hunter Garlent (Roope Mäkitalo , Peter Quenneville)
4:0 (43.) Roope Mäkitalo (Hunter Garlent , Peter Quenneville)
5:0 (48.) Roope Mäkitalo
6:0 (52.) Roope Mäkitalo PS
7:0 (54.) Roope Mäkitalo (Hunter Garlent , Peter Quenneville)
7:1 (57.) Johannes Krauß (Yannik Burghart , Fabian Voit)
Strafminuten
Weißwasser: 4 (2-0-2) Kaufbeuren: 6 (2-4-0)
Schiedsrichter
Seedo Janssen, Christopher Schadewaldt - Lukas Pfriem, Thomas Reimann
Zuschauer: 1176
weeEisArena Weißwasser/O.L
DIE STIMMEN DER TRAINER
Tray Tuomie: „Glückwunsch an Clarke und seine Mannschaft und gute Besserung an Petteri, dass er bald wieder zurück ist. Weißwasser war einfach besser und hat mehr gearbeitet. Sie haben gezeigt, dass sie das Spiel gewinnen wollten. Wir haben individuell und als Mannschaft diese Leistung nicht erbracht. Ich hatte erwartet, dass wir auch unserem jungen Torwart besser helfen. Auch das haben wir nicht getan.“
Clarke Breitkreuz: „Danke Tray! Ich denke, wir haben heute insgesamt sehr gut gespielt. Im ersten Drittel haben wir uns vom Kopf her aber nicht so schlau angestellt. Im zweiten und dritten Drittel haben wir es besser gemacht und verdient gewonnen. Wir hatten nichts zu verlieren und sind als Team aufgetreten. Die Mannschaft hat Herz gezeigt und hart gekämpft. Auch die, die nicht mitspielen konnten, haben das Team gepusht. Dann kommen Spieler, die in dieser Situation herausstechen und alles für den Erfolg tun.“