Seit Freitag scheint der Begriff „eingenetzt“ neu definiert. Wurde das Wort bisher für „Tor erzielt“, „eingeklinkt“ oder „reingehämmert“ benutzt, so beschreibt es neuerdings ein komplett „in Netz“ gefasstes Eisstadion. Ach nöööö: Die Sichtverhältnisse in der Tölzer „weeArena“ sind arg bescheiden. Denn die gesamte Eisfläche ist eingenetzt. So war auch nicht zu erkennen, welcher Spieler der Gastgeber es war, der nach einem kurzen Handgemenge vor dem Tor von Ben Meisner in der 54. Minute das Trikot von Cederic Schiemenz klauen wollte. Zu sehen war allerdings, dass der EHC-Überraschungs-Neuzugang Joel Keussen mit der Nummer 46 am Start war und mit Oliver Granz das dritte Verteidigerpärchen bildete. So, wie unsere Jungs im Isarwinkel, spielte auch der 27-Jährige grundsolide. Mit 4:1 gewannen die Weißwasseraner auch in der Höhe verdient und distanzierten den Fünften, die Steelers aus Bietigheim, dank Schützenhilfe des EC Bad Nauheim (5:3-Sieger) wieder auf vier Zähler.
Das Spiel begann auf beiden Seiten recht verhalten. Zwar musste Jeff Hayes gleich in der ersten Minute wegen Stockschlags auf die Strafbank, aber die Löwen konnten aus dieser Überzahl keinerlei Nutzen ziehen. Lediglich eine kleine Chance erarbeiteten sich die Hausherren, die aber nicht zwingend war. Dann saß Steven Bär für zwei Minuten draußen wegen Haltens – und es war das gleiche Bild. Weißwasser entpuppte sich sogar als die bessere Mannschaft in Unterzahl. Fabian Dietz schloß ein Break ab, aber Ben Meisner hielt den Schuss aufs lange Eck. Die nächste Chance hatte dann Neuzugang Joel Keussen, der sich in zentraler Position durchtankte, aber sein Schuss wurde eine Beute von Ben Meissner. Den ersten richtig großen Aufreger gab es dann in der 12. Minute. Die Tölzer konterten nach einem Puckverlust der Füchse im Angriffsdrittel und waren plötzlich mit drei auf eins in Richtung Füchse Tor unterwegs. Über die Stationen Yannick Drews und Manuel Edfelder kam die Scheibe zu Florian Strobel, der mit einem satten Schuss ins lange Eck des Füchse-Tores abschloss. Die Zuschauer in der weeArena bejubelten das 1:0 – vermeintlich. Die Referees forderten den Videobeweis. Nach der Analyse der spradeTV Bilder entschieden die Schiedsrichter auf „Kein Treffer“. Kurios, denn der Puck landete tatsächlich nicht im Tor, sondern auf der weißen Umrandung des unteren Torgestänges und rutschte dann ins Gehäuse. Glück also in diesem Moment für die Gäste. Bad Tölz hatte nun etwas mehr vom Spiel und Kevin Wehrs versuchte es mal mit einem Schuss auf das Füchse-Gehäuse. Jetzt zogen aber die Füchse das Tempo an und wurden sofort gefährlicher. Anders Eriksson setzte Clarke Breitkreuz in der 14. Minute gut in Szene, der scheiterte aber an Ben Meisner. In der 17. Minute musste Florian Strobl wegen Halten des Stockes zwei Minuten auf die Strafbank. Das Überzahlspiel der Füchse war zunächst recht einschläfernd, aber vielleicht war genau das die Taktik. Urplötzlich wurden die Pässe schneller und die Tölzer Verteidiger konnten nur noch hinterherschauen, als Charlie Jahnke auf den im Slot postierten David Kuchejda passte und der die Scheibe zum 1:0 im Tölzer Kasten unterbrachte. Danach blieben die Füchse am Drücker und Tölz kam nur noch sporadisch in das Gästedrittel. Kyle Beach passte das offenbar überhaupt nicht. Denn er hatte in dieser Schlussphase immer wieder Redebedarf mit den Schiedsrichtern. Der Smalltalk aber brachte auch nichts. Mit einer Führung der Unsrigen ging es in die erste Pause.
Als der Mittelabschnitt in Bad Tölz startete, lagen die Eisbären Berlin daheim gegen Köln mit 0:3 zurück. Maximilian Franzreb durfte in der Mercedes-Benz-Arena ran – und für die Füchse rückte Olafr Schmidt mehr und mehr in den Blickpunkt. Zuvor allerdings stellten unsere Blau-Gelben auf 2:0. Steve Saviano schnappte sich das Spielgerät, stiefelte ins Drittel der Hausherren und verzögerte, bis Jeff Hayes da war. Kaum hatte ihn der Querpass erreicht, da zog unser Goldhelm staubtrocken ab und ließ Meisner keine Abwehrchance (25.). Dass man den Buam im Gegenzug zwei Großchancen schenkte, kann man fahrlässig nennen. Doch Kyle Beach musste zweimal die Überlegenheit von unserem Schlussmann anerkennen. Fortan hatten die Oberlausitzer die Spielkontrolle, ohne zu glänzen. Die Tölzer waren zu langsam, um unseren Jungs wirklich gefährlich zu werden. Nach 32 Minuten schloss erneut Jeff Hayes einen der schönsten Spielzüge der Partie zum 3:0 ab. Steve Saviano passte zu Jakub Kania, der sah unsere viel besser platzierte Nummer 72. Derweil Ben Meisner bereits einen Abschluss von Kania erwartet und reagiert hatte, musste Hayes den Puck nur noch einschieben. Oh Gott – schon wieder drei Treffer Vorsprung. Ob das gut geht? Jedenfalls verpassten Anders Eriksson (Querlatte) und Fabian Dietz nach einem Solo (beide 37.) die vierte Bude. Und beinahe hätte es kurz vor dem zweiten Pausentee noch in unserem Gehäuse gescheppert. Nach einem Distanzschuss von Casey Borer, den Olafr Schmidt stark hielt, verlor unser Goalie seine Kelle. Mit viel Entschlossenheit ließen die Gelbhemden einen Nachschuss nicht zu.
Nachdem in den letzten 20 Minuten auch Joel Keussen (46., Schrägschuss) und Jakub Kania (47., nach George-Zuspiel frei vor Meisner) die Vorentscheidung verpassten, machten die Hausherren mit dem Mute der Verzweiflung nochmals Druck. Binnen 60 Sekunden mussten unsere Jungs das Glück zweimal strapazieren. Erst traf Andreas Pauli nur den Pfosten, dann bescherte ein Scheibenverlust Andreas Schwarz eine freie Schussbahn. „Ollie“ aber war zur Stelle. Trainer Corey Neilson wähnte „Gefahr im Verzuge“ und nahm eine Auszeit. Der Erfolg des Timeout blieb überschaubar. Kaum war das Match fortgesetzt, da kassierte Jakub Kania zwei Strafminuten. Tölz drückte – und Schmidt hielt sensationell. Denn nach Querpass stand Andreas Pauli am langen Pfosten frei. Trotz Direktabnahme war unser Hüter raketenschnell im bedrohten Eck und klärte. Nachdem in Minute 52 Clarke Breitkreuz und Cederic Schiemenz frei vor Ben Meisner die Entscheidung verfehlten, gingen die Berwanger-Schützlinge volles Risiko. Es setzte Strafen für Charlie Jahnke und Philipp Schlager (54.). Der Löwen-Dompteur nahm sechs Minuten vor Spielende den Goalie vom Eis und ließ fünf gegen vier spielen. Da kanonierte Kevin Wehrs die Scheibe von der Blauen Linie zum 1:3 ein, weil zwei Schwarzhemden unserem Keeper die Sicht versperrten. Nun waren die Gastgeber mächtig am Zuge. Aber Olafr Schmidt bewahrte die Übersicht gegen Andreas Pauli (55.) und Kyle Beach (56.). Das war schwer genug. Denn nach einer weiteren Strafe gegen Jakub Kania agierten die Tölzer mit erneut gezogenem Torwart sogar mit zwei Feldspielern mehr. Noch nicht wieder komplett, luchste Youngster Fabian Dietz dem Ex-NHL-Spieler Casey Borer den Puck ab und jagte ihn an Meisner vorbei zum 4:1 ins „richtige“ Netz (57.). Damit war der Deckel nun drauf auf dem Dreier. „Weißwasser war eindeutig die bessere Mannschaft. Das muss man neidlos anerkennen“, ließ Peter Slapke wissen, der als Co-Moderator am SpradeTV-Mikrophon saß. Peter Slapke? Genau, der Ex-Referee aus Weißwasser kommentierte das Match gemeinsam mit Ex-Nationaltorhüterin Viona Harrer. Eine besondere Verbundenheit zur alten Heimat war dem inzwischen 69-Jährigen nicht anzumerken. Und so schien es, dass der mehrfache DDR-Nationalspieler dereinst besser pfiff als heuer kommentierte. Zumindest machte ihm das Match zweimal einen Strich durch die Rechnung: Gerade noch ließ Slapke wissen, dass er gegen den Videobeweis sei, da schoss Tölz das vermeintliche Phantomtor, welches nach Sichtung der TV-Bilder – zu recht – nicht gegeben wurde. Und als der gebürtige Weißwasseraner nach 18 Minuten das Überzahlspiel der Unsrigen als „schlecht“ titulierte, machte David Kuchejda das Führungstor. Je länger die Begegnung dauerte, um so mehr konnten die Blau-Gelben „den Peter“ von sich überzeugen. „Die Füchse spielen grundsolides Eishockey ohne große Fehler und ohne Schnickschnack. Sie verteidigen sehr souverän und clever“, lobte Slapke – und das nun wirklich zutreffend!
Und Joel Keussen? Solide und ordentlich. Was er machte hatte Hand und Fuß, da dürfen wir wirklich gespannt sein auf seine Heimpremiere…