Insgesamt 240 Strafminuten lassen erahnen, dass die Partie hart umkämpft war - auf beiden Seiten standen am Ende neben zahlreichen kleinen Strafen und drei Zehn-Minuten-Strafen jeweils eine Matchstrafe und zwei Spieldauer- disziplinarstrafen auf dem Spielberichtsbogen. "Ich würde niemals über den Schiedsrichter urteilen", sagte EHC-Trainer Bernd Arnold. "Wir haben beide zu gleichen Teilen darunter gelitten oder davon profitiert. Ich bin vielmehr stolz auf die Leistung meiner Mannschaft, die sich diesen Sieg verdient hat." Die Analyse der Gäste nahm HEV-Trainer Krystian Sikorski mit in den Mannschaftsbus - Hernes Trainer erschien nicht zur Pressekonferenz.
Neuwied begann die Partie mit einem leichten spielerischen Übergewicht, geriet aber bereits nach drei Minuten in Rückstand: Sascha Panek überwand EHC-Keeper Tim Kühlem mit seinem Schuss von der blauen Linie zum 1:0 für Herne. Auf der Gegenseite vergaben Christian Czaika (9.) und Slawomir Kiedewicz (10.) die bis dahin besten Chancen der Bären, die wenig später dennoch zum verdienten Ausgleich kamen: Jens Hergt traf in Überzahl auf Vorarbeit von Stephan Petry und Willi Hamann zum 1:1 (11.). Und kurz vor der ersten Pausensirene brachte Philipp Büermann den EHC gar in Führung: Marc Blumenhofen hatte abgezogen, HEV-Keeper Eike Paulmann aber ließ die Scheibe fallen und ermöglichte Büermann so den Abstauber zum 2:1 (19.).
Die Geschichte des ersten Drittels aber waren weniger die Tore, sondern vielmehr die aufgeheizte Stimmung auf dem Eis, die sich schon zu diesem Zeitpunkt anstaunte. In zwei Situationen hatten die Unparteiischen im ersten Abschnitt das Spiel laufen lassen, obwohl man durchaus eine kleine Strafe gegen Neuwied hätte geben können. Doch anstatt im Stile einer Spitzenmannschaft sich weiter auf die eigene spielerische Stärke zu besinnen ließen sich die Gäste völlig aus dem Konzept bringen. Dabei war das Strafenverhältnis zu diesem Zeitpunkt durchaus ausgeglichen mit fünf kleinen Strafen plus einer Zehn-Minuten-Strafe für Neuwied und sieben kleinen Strafen für Herne - davon zwei mit der Schlusssirene des ersten Abschnitts.
Bei den 727 Zuschauern im Neuwieder Ice House festigte sich im Laufe der Partie jedoch der Eindruck, dass die Gäste den EHC schlichtweg unterschätzt hatten. Nächster Beweis der Herner Hilflosigkeit: Die erste Matchstrafe der Partie gegen HEV-Kapitän Philip Louven. Der war bei einem Zweikampf hinter dem eigenen Tor von Stephan Petrys Schläger getroffen worden, die Unparteiischen aber ließen weiterspielen. Louvens Reaktion: Zunächst versuchte er, anstatt einen Aufbaupass zu spielen, den wenige Meter neben ihm laufenden Petry mit der Scheibe zu treffen. Als dies misslang und Petry wechseln wollte, fuhr Louven ihm hinterher und revanchierte sich mit einem Check gegen den Kopf (26.). Die Bären gaben die Antwort auf dem Eis: Ausgerechnet Petry machte nur zwei Minuten später in Überzahl das 3:1 (28.). Dass wenig später Slawomir Kiedewicz mit der ersten Spieldauerstrafe der Partie vorzeitig zum Duschen musste war ärgerlich aus Neuwieder Sicht, aber auch schnell abgehakt. Der EHC-Stürmer hatte Hernes Antti-Jussi Miettinnen bei einem Konter am Torabschluss gehindert - eine Zwei-Minuten-Strafe, vielleicht ein Penalty hätten es in dieser Situation sicherlich auch getan.
Doch anstatt sich nun ebenfalls lange mit der Strafe zu beschäftigen, konzentrierten sich die Gastgeber weiter auf ihr Spiel und legten den vierten Treffer nach. Philipp Büermann nutzte eine erneute Unsicherheit bei HEV- Keeper Paulmann zum 4:1 (32.). "Das war schon arrogant von Herne mit dem zweiten Torhüter zu spielen", sagte EHC-Trainer Arnold. "Nicht, dass Paulmann ein schlechter Keeper ist. Aber Stefan Kornewald ist für mich ein herausragender Torhüter, der vielleicht das ein oder andere Tor verhindert hätte. Aber Arroganz wird bestraft - und uns kann es am Ende ja egal sein."
Auswirkungen auf den Spielberichtsbogen aber hatte nicht nur das vierte Tor von Büermann, sondern vor allem die noch beim Torjubel ausbrechende Massenschlägerei vor Hernes Kasten. Stephan Petry und Hernes Edgars Adamovics hatten sich bereits kurz vor dem Treffer beharkt, nun streckte der Gästeverteidiger den EHC-Kapitän mit einem Faustschlag nieder. Neuwieds Verteidiger Kai Kühlem ging dazwischen, während Petry aufstand und sich einen Faustkampf mit Marc Höveler lieferte. Das Ergebnis: Spieldauerdisziplinarstrafen gegen Hernes Höveler und Adamovics sowie Neuwieds Kai Kühlem. Weil Petry noch einmal nach Höveler schlug, als der Linesman die beiden bereits getrennt hatte, kassierte der EHC-Stürmer eine Matchstrafe.
Bei den nun deutlich ausgedünnten Sturmreihen setzten in der Folge zwei Akteure besondere Akzente: Hernes Miettinnen sorgte immer wieder mit viel Tempo für Gefahr, bereitete die beiden Herner Anschlusstreffer zum 2:4 durch Dominik Ballnus (39.) und zum 3:4 durch Sascha Panek (41.) vor. Auf der Gegenseite aber sorgte der dreifache Torschütze Philipp Büermann mit seinem starken Solo zum 5:3 (51.) für die Entscheidung. Auch, weil Herne aus zahlreichen Überzahlsituationen (sieben Zwei-Minuten Strafen für Neuwied gegenüber vier für Herne im letzten Drittel) selbst in doppelter numerischer Überlegenheit (1:48 Minuten lang) kein Kapital schlagen konnte. "Ich denke, Herne kann nicht sagen, dass man hier heute verpfiffen wurde", sagte Arnold. Unglücklich hingegen war der Ausfall von Hernes Dominik Ballnus, der von einer Scheibe getroffen wurde und in ein Koblenzer Krankenhaus gebracht werden musste. Die Bären wünschen Ballnus auf diesem Wege eine schnelle Genesung.
"Wir haben die Niederlage in Essen nicht lange analysiert. Ich habe den Jungs gesagt: Mund abputzen, vergesst den Quatsch von Freitag, macht es heute einfach besser", sagte EHC-Trainer Arnold nach dem Spiel. "Die Mannschaft hat das super umgesetzt, toll gekämpft und Hernes starke Stürmer nicht zur Entfaltung kommen lassen. Ich bin stolz darauf, dieses Team trainieren zu dürfen."
eishockey.net / PM EHC Neuwied
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