So viele Hüte gibt es gar nicht, die man vor dieser Mannschaft ziehen muss: Die Roten Teufel liefern im vierten Playoff-Duell mit den Ravensburg Towerstars einen überragenden Kampf, holen einen 0:2-Rückstand auf, egalisieren auch die 3:2-Führung der Oberschwaben und erzwingen vor 2439 begeisterten Fans die Overtime. Nach 82 Minuten und 55 Sekunden Einsatz, Leidenschaft und vielen Chancen auf beiden Seiten entscheidet der Ex-Nauheimer Charlie Sarault mit seinem Überzahl-Treffer diese packende Partie. Mit 3:4 (1:2,1:0,1:1/0:0,0:1) verliert das Team von Harry Lange, aber erneut hat diese großartige Mannschaft jede Menge Sympathiepunkte gesammelt. „Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Leider hat der Eishockey-Gott heute nicht auf uns geschaut“, sagte Harry Lange.
Zum Spiel: Im Lager der Roten Teufel hatte sich die personelle Lage etwas entspannt. Immerhin konnten Tomas Schmidt und Mick Köhler wieder auflaufen. So beorderte Harry Lange den vielseitig einsetzbaren Mick Köhler nach hinten. Tobi Wörle, der am Montag in Ravensburg fast ausschließlich in der Abwehr zum Einsatz gekommen war, stürmte in der Mitte zwischen Tristan Keck und Stefan Reiter. Ravensburg bot einmal mehr Bestbesetzung auf. Allerdings fehlte der erkrankte Trainer Peter Russell, für ihn stand der Geschäftsführer Sport, Daniel Heinrizi, an der Bande.
Der Beginn dieser Partie, aus der Sicht der Roten Teufel verheißungsvoll, denn Tristan Keck kam schon in der zweiten Minute zu einer erstklassigen Möglichkeit. Der Puck verfehlte aber knapp das Ziel. Es ging gleich voll zur Sache, Tempo war angesagt. Ravensburg agierte gewohnt offensiv, störte die Hausherren früh und ging auch in der achten Minute in Führung. Der schnelle Josh MacDonald tankte sich durch, wurde nicht energisch genug gestört und traf zum 1:0 aus der Sicht der Towerstars. Eine kalte Dusche für den ECN, die zweite folgte quasi mit dem nächsten Strahl. Als Stefan Reiter eine Strafe verbüßen musste, nutzten die Oberschwaben das Powerplay. Fabian Dietz stand direkt vor dem Tor und fälschte den Schuss von Julian Eichinger ab. 0:2 nach elf Minuten, es lief wie in den drei Spielen zuvor zunächst alles für Ravensburg.
Doch der ECN in dieser Saison, das ist bekanntlich eine Mannschaft mit großartiger Moral. Nach dem Powerbreak kämpfte sich das Team ins Spiel zurück und erntete in der 17. Minute den Lohn. Eine sehenswerte Kombination über Tomas und Kevin Schmidt vollendete Kapitän Marc El-Sayed zum 1:2. Der Ausgleich lag in der Luft. Fabian Herrmann scheiterte in der nächsten Szene aus kurzer Distanz und wurde von Tim Sezemsky attackiert. Der Ravensburger erhielt zwei Strafminuten, der ECN konnte aber in den letzten Sekunden des ersten Drittels trotz intensiver Bemühungen keine klare Möglichkeit herausspielen.
Die Ravensburger hatten das Unterzahlspiel kaum überstanden, da handelte sich Huba Sekesi wegen Hakens eine kleine Strafe ein. Powerplay, das ist eine Spezialität der Towerstars. Doch diesmal kam es genau umgekehrt. Tristan Keck angelte sich den Puck, schoss aus spitzem Winkel. Jonas Langmann konnte abwehren, doch der Torwart hatte die Scheibe nicht unter Kontrolle. Tobi Wörle erkannte die Situation blitzschnell und stocherte den Puck über die Linie. Die Towerstars protestierten dezent, doch der Treffer war regulär. 2:2 nach einem 0:2-Rückstand – einmal mehr bewies der ECN seine Comeback-Qualitäten. Danach schnürte der Gast die Hausherren im eigenen Drittel ein, doch Felix Bick strahlte Ruhe aus, die Verteidiger blockten einige Schüsse, und dann kamen die Roten Teufel wieder zu Chancen. Tristan Keck und Jerry Pollastrone verpassten knapp, Andi Pauli konnte nur von mehreren Akteuren der Towerstars im letzten Moment gestoppt werden.
Den ersten Akzent im dritten Drittel setzte Sam Herr. Der beste und auffälligste Ravensburger fand die Lücke in der Abwehr des ECN und hatte auch beim Abschluss das nötige Quäntchen Glück. Die Towerstars führten wieder und witterten ihre Chance, zu erhöhen. Jordan Hickmott bekam eine kleine Strafe und war mit dieser Entscheidung sichtbar nicht einverstanden. Doch es blieb dabei, Bad Nauheim musste in Unterzahl ran und kämpfte mit Leidenschaft. Ravensburg stand dicht vor einem Torerfolg, aber Bick und seine Vorderleute wehrten sich mit aller Macht. Als dann James Bettauer den Puck vertändelte und im Fallen eine Regelwidrigkeit beging, hatten die Rot-Weißen wieder numerische Überlegenheit. Der Stimmungspegel stieg, die Fans feuerten das Team lautstark an. Schließlich war es Andrej Bires, der nach Zuspiel von Jerry Pollastrone und Kevin Schmidt zum 3:3 in der 50. Minute traf. Dieser erneute Ausgleich sorgte für noch mehr Motivation – auf dem Eis und auf den Rängen. Die Lange-Truppe war in der Endphase dem Siegtreffer näher als die Towerstars, aber es blieb beim Remis, es ging in die Verlängerung.
Die Towerstars machten gleich Druck in der Overtime und versuchten, jeden Puck zum Tor zu bringen. Der ECN überstand einige brenzlige Situationen, doch dann drehten die Gastgeber in dieser unglaublich spannenden Partie auf. Andrej Bires traf den Pfosten, Mick Köhlers Versuch landete am Innenpfosten. Joel Messner hatte ebenso die Entscheidung auf dem Schläger wie nochmals Andrej Bires, der an Langmann scheiterte. Jeder noch so kleine Fehler konnte die Entscheidung bringen. Beide Teams kämpften um jeden Zentimeter Eis, ein Treffer wollte in den ersten 20 Minuten nicht gelingen. Woher nahm der ECN die Kraft, schließlich war es das elfte Playoff-Spiel in 22 Tagen?
Es ging in die vierte Pause und dann in den zweiten Teil der Verlängerung. Und dann kam ein Zweikampf, den der Schiedsrichter als Foul von Huba Sekesi wertete. Dabei stellt sich die Frage, ob man in solch einer fairen Partie und in der zweiten Overtime diesen einen Zweikampf mit einer Strafe ahnden muss? Ravensburg nutzte diese Überzahl clever aus. Der entscheidende Pass kam von Julian Eichinger, es vollendete der Ex-Nauheimer Charlie Sarault – 4:3 für Ravensburg in einem denkwürdigen Spiel.
In der Serie führen die Towerstars nun mit 3:1. Am Freitag geht es in Ravensburg weiter. Zahlreiche Fans des EC Bad Nauheim werden ihre Mannschaft begleiten.