Vielleicht hat der Verstand ja bereits wieder eingesetzt und der Dresdner Anhang seine Fahne wieder!? Damit, den Eislöwen die drei Punkte zu klauen, hat sicher niemand ein Problem. Aber so ein Stibitzen von Fan-Equipment bringt überflüssigen Unfrieden und Rachegedanken für das folgende Aufeinandertreffen, das möglicherweise zwar in weiter Ferne liegen mag, aber doch kommen wird. Sollte also der Gesang aus weit über eintausend Kehlen „Ohne Fahne fahrt ihr heut‘ nach Haus“, zutreffen, dann würde es von beachtlichem Sportsgeist zeugen, den heuer ohnehin leidgeprüften Landeshauptstädtern ihre Utensilien für optimalen Support schon Anfang 2019 wieder zustellen zu lassen. Und auch das sei noch geklärt: Vier Tore schlechter waren die Schützlinge von Trainer Bradley Gratton nicht wirklich. Nur Mitleid braucht im Lager der Blau-Weißen vermutlich niemand.
Noch vor Beginn der vierten und letzten Erzrivalenschlacht Weißwasser gegen Dresden hatten sich die Eislöwenanhänger offenbar verausgabt. Nachdem während der Mannschaftsauf-und Vorstellung der Füchse-Starting-Six satte 26mal ganz einfallsreich das „A…loch“ skandiert worden war, schien Erholung im Gäste-Block angesagt. Das hing aber auch damit zusammen, dass die Unsrigen vom Anstoßbully weg das Heft des Handelns übernahmen und die Angereisten über die Eisfläche jagten. So richtig Zugriff auf die Oberlausitzer bekamen sie anfangs jedenfalls nie. Aber sie standen sehr diszipliniert in der eigenen Verteidigungszone und ließen eher wenig EHC-Chancen zu. Zudem warteten die Eislöwen wohl auf Fehler a la (in) Bad Nauheim, die unsere Jungs aber kaum machten. Dennoch hatte Martin Davidek die erste größere Gelegenheit, als er nach fünf Minuten schräg und frei aus sechs Metern ab-, aber auch vorbeizog. Dann folgte eine Phase, in der Gäste-Schlussmann Marco Eisenhut diverse Nöte mit seiner Ausrüstung hatte. Glaubte man zunächst noch, der Keeper wolle seinen in Unterzahl geratenen Mannschaftskameraden mehr Zeit zum Luftholen verschaffen, so kramte er einige Zeit später ein „Gummiteil“ hinter den Schonern hervor, das er endgültig ablegte. Kaum „hindernisfrei“, schlug Clarke Breitkreuz zu. Unsere 71 hatte soeben noch den Pokal für den „Spieler des Monats“ in Empfang genommen, da stocherte er eine frei liegende Scheibe mit Vehemenz über die Torlinie. Erstmals tobte der Fuchsbau, natürlich außer Block L. Der musste mit ansehen, wie Steven Bär nach elf Minuten etwas zu genau – und zwar an den rechten Torpfosten – zielte und im Gegenzug Dresden einen Zwei-gegen-eins-Konter bekam. Der Querpass erreichte Niklas Postel, dessen Direktschuss aber von Olafr Schmidt gestoppt wurde. Kurios wurde es in Minute 16. Da fuhren sich Jordan Knackstedt und Sebastian Zauner vor dem Eisenhut-Käfig über den Haufen. Aber die plötzliche Torchance kam wohl zu unverhofft, weshalb Jeff Hayes und Co. einen Pass zu viel spielten, statt einfach abzuschließen. Kurz vor der ersten Sirene gab es noch eine Gelegenheit für Goldhelm Knackstedt, der aber insgesamt ersichtliche Schwierigkeiten mit dem hochgehaltenen Spieltempo hatte. Nur 0:1 nach 20 Minuten war aus Gästesicht nicht das schlechteste Zwischenresultat.
Mit Beginn des Mittelabschnitts änderte sich das Match komplett. Die Eislöwen liefen jetzt viel mehr und effektiver, erhöhten die Schlagzahl in den Zweikämpfen und stellten die Heimischen immer wieder vor Probleme. Und als der Anhang der Angereisten gerade Gesänge gegen die Fußballer aus der Landeshauptstadt („Schei… Dynamo“) anstimmte, da kanonierte Georgijs Pujacs, toll freigespielt von Jordan Knackstedt, das dunkelanthrazitfarbene Hartgummteil in den rechten oberen Torknick. Kurz danach hatte Jake Ustorf unter den Augen seines Vaters die Gelegenheit, die Füchse wieder in Führung zu bringen. Aber er scheiterte aus spitzem Winkel an Goalie Eisenhut (25.). Die Landeshauptstädter machten es da besser. Eine sehenswerte Kombination über Knackstedt und Jordan Heywood erreichte im Slot Nick Huard, der trotz Bedrängnis gegen die Bewegungsrichtung von Olafr Schmidt vollendete. Die Partie war gedreht! Darüber dachten die Hausherren wohl schon noch etwas nach. Bis auf einen Angriff, der den Puck über Feo Boiarchinov zu Steve Saviano und weiter zu Jeff Hayes brachte, dessen Schüsschen (37.) aber viel zu harmlos war, gelang den Unsrigen kaum Zwingendes. Auf der Gegenseite brannte es noch zweimal lichterloh. Olafr Schmidt meisterte einen Schlagschuss von Steven Rupprich aus recht spitzem Winkel mit Müh und Not (38.). Und eine Minute später lag die Scheibe gar im Füchse-Tor. Jordan Knackstedt hatte seinen eigenen Rebound genommen, sich dabei nach Auffassung der Unparteiischen aber im Torraumabseits befunden. Zumindest diese Entscheidung war nicht unumstritten! Und so, wie die Ostsachsen nach Drittel eins hätten höher führen können, wäre auch eine deutlichere Führung der Mittelsachsen nach der zweiten Periode kein Wunder gewesen.
In den letzten 20 Minuten brannten die Mannen von Trainer Corey Neilson dann das vom Homepageteam erhoffte vorsilvesterliche Feuerwerk ab. Als „Diplom-Feuerwerker“ betätigte sich dabei Fabian Dietz, der zeigte, wie „einfaches Eishockey“ funktioniert. Von Jake Ustorf in Position gebracht, krachte der gerade 20-Jährige den Puck staubtrocken aus dem Handgelenk an den linken Innenpfosten und ins Netz. Jetzt lief die Feuerwerksbatterie, obwohl zunächst noch Thomas Pielmeier eine gute Möglichkeit zum 3:2 hatte, aber nicht an Ollie Schmidt vorbei kam (46.). Auf der anderen Seite erarbeitete sich unser EHC die Führung. Soeben noch verfehlte Jeff Hayes freistehend den Dresdner Kasten, da gelangte die Scheibe zu Steve Saviano, der goldrichtig stand und zum 3:2 einschob. Nun waren die Gäste angeknockt – und Weißwasser lief zu Hochform auf. Den Lohn für seinen ohnehin nimmermüden Einsatz holte sich Jeff Hayes ab, der endlich mal nicht nur der Ankurbler war, sondern schön freigespielt wurde. Sein Direktschuss – reichlich fünf Minuten nach dem dritten Tor – war ebenso schnell wie drin auch wieder draußen. Den Schiedsrichtern mit ihren geschulten Augen war der Einschlag nicht entgangen. Dann verfehlte Jordan Heywood aus aussichtsreicher Position das 3:4 (56.). Wenig später beanspruchten die Dresdner ihre Auszeit und nahmen Torhüter Eisenhut für einen sechsten Feldspieler vom Eis. Da waren noch 3:49 min. zu gehen. Exakt 30 Sekunden nach Timeout-Ende bediente Jeff Hayes Steve Saviano, der ins verwaiste Eislöwengehäuse traf. Da war er drauf – der berühmte Deckel. Den Abschluss unter ein überaus erfolgreiches Jahr 2018, das mit dem Klassenerhalt gegen Bayreuth begann und den EHC- Fans und –Verantwortlichen in der folgenden Spielzeit Freude und Top-Sport pur bereitete, setzte bezeichnenderweise Reihe vier. Philip Kuschel, das Verteidiger-Stürmer-Multitalent, bediente Thomas Reichel, der wenig Mühe hatte, Treffer Nummer sechs anschreiben zu lassen. Ohne Hilfe aus Berlin, aber mit ihren ureigensten Tugenden, sorgten unsere Jungs für den deutlichsten aller bisherigen Siege in den Dresden-Duellen. Es zählt übrigens zu den selten verifizierbaren Gerüchten, dass die Kontrahenten vor der Begegnung ausgemacht hätten, diesmal nur ein Tornetz zu strapazieren. Tatsächlich aber fielen alle acht Treffer diesmal vor den Blöcken C bis E, wo die Weißwasseraner Hardcorefans die Stimmungshoheit hatten. Und dann passierte noch etwas ganz seltenes: Nach dem „Einbahnstraßen-Toreschießen“ ließ sich Erfolgstrainer Corey Neilson kurz im „bedrohten Eck“ blicken, winkte kurz verlegen zu den Fans – und entschwand wieder. „Ich bin hier doch nur der Coach. Wenn ich früher auf’s Eis gegangen bin, dann als Spieler“, erklärte der 42-Jährige augenzwinkernd – und wünscht allseits ein tolles Miteinander im neuen Jahr!
Die Trainerstimmen:
Corey Neilson: „Wir haben gut begonnen und versucht, intelligent zu skaten. Im Mitteldrittel kippte das Momentum auf Seiten der Dresdner, die da sehr körperbetont agierten und gut foregecheckt haben. Der Schlussabschnitt hat dann gezeigt, wofür wir in jedem Training und jedem Wettkampf hart arbeiten. Wir haben mit vier Reihen ganz viel Speed aufgebaut. Wenn wir dieses Tempo bis zum Schluss gehen, dann wird es jeder Kontrahent schwer haben. Da ich kein Fan von vielen Veränderungen bin, habe ich in der zweiten Pause nur daran erinnert, die Basics besser zu machen – sprich mehr Scheiben in die Rundung zu spielen, frühzeitig anzugreifen und mehr zu schießen.“
Bradley Gratton: „Ich kann es kurz machen. Im ersten Drittel haben wir gar nicht ins Spiel gefunden. Wir waren einfach zu passiv, Weißwasser war viel hungriger. Im zweiten Drittel haben wir in den Reihen einiges verändert und sind in Führung gegangen. Es ist für mich unerklärlich, was dann im letzten Abschnitt passierte. Wir sind regelrecht auseinandergefallen, haben viele schlechte Entscheidungen getroffen. Man konnte am Spielverlauf erkennen, warum wir dort stehen, wo wir stehen, und warum die Füchse vorn mit dabei sind. Wir geben Spiele viel zu einfach her.“